Marcel

Marcel, scared by Moscow traffic

(scroll down for German version)

When I was a child, my grandmother told me stories about a land in the East where she grew up, a land where children rode to church on sleighs in the wintertime and where wolves howled in the woods. Sometimes, she spoke Russian to my brothers and I. When you’re little you do not question the fact that your grandmother speaks a language that no one else in the family understands. When I grew up, I learned that my grandmother grew up in East Prussia (now Poland) and also spent time in a labour camp in the Urals in Soviet Russia. I never really had the chance to talk about her experiences before she died. This year, I decided to go to both places, Poland and Russia, to research about the journey of my grandmother 1945 and to learn more about these countries.

I work as a writer and blogger, so I’m in a good position to convey my experiences through writing and the internet. This is why I’ve decided not only to document my trip online, but also to meet as many German, Polish and Russian bloggers, writers and artists as possible to hear about how they perceive our shared history today. If this sounds interesting and you want to talk to me, please mail me. Thanks.

You can find my essays and stories in the Daily Telegraph, Reykjavik Grapevine and Süddeutsche Zeitung, amongst others. Last year I also published my first book, a short story collection named “Stop Coming to My House”, and after five years living in Ireland I currently try to divide my time between Berlin, Cologne and Dublin. You can find more stuff in my personal blog King of Pain. I don’t like spiders.

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Als Kind hat meine Großmutter mir oft Geschichten aus ihrer Heimat erzählt, einem fremden Ort an dem Kinder im Schlitten zum Gottesdienst fuhren und Wölfe in den Wäldern heulten. Manchmal hat sie Russisch mit meinen Brüdern und mir gesprochen. Wenn man klein ist, ist die Tatsache das deine Großmutter als einzige Person in der Familie eine fremde Sprache spricht das Normalste der Welt. Später habe ich dann erfahren, dass sie in Ostpreußen (heute Polen) aufgewachsen ist und einige Jahre in einem sowjetischen Arbeitslager im Ural verbracht hat. Leider habe ich vor ihrem Tod nie richtig mit ihr über diese Zeit sprechen können. Deswegen habe ich mich dieses Jahr dazu entschlossen beide Orte zu besuchen – Polen und Rusland. Ich werde sowohl über die Reise meiner Großmutter 1945 recherchieren, als auch versuchen so viel wie möglich über beide Länder zu erfahren.

Ich arbeite als Blogger und Schreiber, und habe so die besten Voraussetzungen meine Erlebnisse schriftlich und mit Hilfe des Internets zu dokumentieren. Ich werde hier aber nicht nur eine reines Reisetagebuch führen, sondern auch möglichst viele deutsche, polnische und russische Blogger, Schreiber und Künstler treffen, um herauszufinden wie junge Europäer unsere gemeinsame Geschichte heute sehen. Wenn das interessant klingt und du mit mir sprechen möchtest, schick mir einfach eine Mail. Danke.

Meine Essays und Stories sind u. a. im Daily Telegraph, der Reykjavik Grapevine und der Süddeutschen Zeitung erschienen, und im letzten Jahr habe ich mein erstes Buch, eine Kurzgeschichtensammlung namens ‚Stop Coming to My House‘ veröffentlicht. Ich habe die letzten fünf Jahre in Irland gelebt und versuche jetzt meine Zeit zwischen Berlin, Köln und Dublin aufzuteilen. Mehr Informationen kann man in meinem persönlichen Blog King of Pain finden. Ich hasse Spinnen.

4 comments

  1. Pingback: A post to start it all | In The Dark Night

  2. Mein Sohn Malik hat mir von deiner Reise erzählt. Ich bin beeindruckt, dass du auf Spurensuche gehst und zugleich herausfinden willst, wie die Menschen in den jeweiligen Ländern heute die Geschichte sehen.
    Ich selbst bin Kind von Vertriebenen, allerdings aus den Karpaten. Als Nachkriegsgeborene bin ich mit den Erzählungen aus der “Heimat” aufgewachsen und glaube, dass es wie bei allen KIndern von Vertriebenen auch meine Biographie beeinflusst hat. Aber das ist ein weites Feld …. dass du als Enkel auf die Reise gehst …. darf man fragen, was letztlich der Auslöser war?
    Vor 10 Jahren ging ich auch auf Spurensuche und habe vor, es noch mal zu machen. Zwischenzeitlich sammle ich alles,was noch übrig geblieben ist. So fand meine Cousine einen Koffer auf dem Dachboden und darin das Fluchttagebuch ihres Vaters. Schon interessant.

    Mich würde interessieren, ob du noch mehr Enkel kennst, die sich auf Spurensuche begeben. Ist das ein Thema in der Generation?
    Übrigens wurde ein bilinguales Deutsches Gymnasium in dem ehemaligen deutschen Gebiet in der Slowakei eingerichtet; Nach Jahren der Verfolgung und Verbote, deutsch zu sprechen, eine neue Ära und sicherlich eine neue Auseinandersetzung mit der Geschichte.

    Nachdem ich den Blog gelesen habe, wollte ich etwas dazu sagen, wenn auch nicht besonders geordnet.

    Ich wünsche interessante Erlebnisse, gute Begegnungen und Gespräche und etwas zutiefst Befriedigendes bei der Reise.

    Alles Gute
    Inge Loisch

  3. Hallo Inge,

    vielen Dank für deine netten Worte. Bei mir war der Auslöser, dass ich die Geschichten meiner Grossmutter immer nur aus der Perspektive als Kind kennengelernt habe. Sie war in den letzten Jahren ihres Lebens demenzkrank, und ich habe mich daher nie wirklich mit ihr über das Thema unterhalten können. Ich denke das hat bei mir den Wunsch ausgelöst, hierhin zu fahren, um Kindergeschichte und Wirklichkeit zu vergleichen.

    Im Rahmen dieser Reise treffe ich mehr und mehr Menschen 3. und sogar 4. Generation die anfangen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich denke der zeitliche Abstand ist mittlerweise gross genug, sich unbefangen mit dem Thema zu befassen.

    Danke & Gruss,

    Marcel

  4. Hallo Marcel,

    hatte Dir ja bereits auf Facebook kurz davon erzählt.
    Hier jedoch noch einmal ausführlicher, als direkte Antwort vielleicht auch zu Inge und ihrer Frage, ob sich andere Enkel ebenfalls auf Spurensuche begeben, die Geschichte meiner Familie väterlicherseits.

    Ich habe nicht die Art von Recherche betrieben, die Du heute vorantreibst. Es hat sich einfach so ergeben, dass meine mittlerweile verstorbene Oma Maria Steglich, geb. Leidl und ich eines Tages am Kaffeetisch saßen und uns unterhielten. Und ich habe einfach immer weiter gefragt, und wurde immer stiller.
    Nicht nur weil mich die Geschichte dermaßen beeindruckt hat, sondern weil sie mir auch meine eigenen Fehler in der Interpretation so mancher Aussagen vor Augen geführt hat. Dazu später mehr.

    Meine Großmutter ist im heutigen “Vršac” / Serbien (http://de.wikipedia.org/wiki/Vršac), damals “Werschetz” aufgewachsen.
    Die Gegend war damals als “Banat” bekannt. Es lebten dort um 1900 herum mehr als 50% Deutsche, überwiegend Nachfahren deutscher Flüchtlinge, der sogenannten Donaudeutschen oder Donauschwaben (http://de.wikipedia.org/wiki/Donauschwaben).

    Nach Kriegsende wurde die deutschstämmige Bevölkerung durch jugoslawische Partisanen teils exekutiert, teils verschleppt oder im besten Falle abgeschoben. Meine Oma erzählte, wie jugoslawische Truppen in die Scheune des Dorfes kamen um Arbeiter zu suchen. Alle mussten sich in einer Reihe aufstellen. Ihre Mutter hatte sie absichtlich dreckig gemacht, und unordentlich, damit sie nicht ausgesucht wurde. Aber es half nichts, meine Oma wurde im Alter von 16 Jahren mit einigen anderen in einen Viehwaggon gesperrt und an eine Dampflokomotive gekoppelt. Der Weg ging Richtung Persien, heute Iran. Wer den Transport nicht überlebte, wurde unterwegs auf die Strecke geworfen.

    Die Zeit in Persien hat meine Oma als beinahe glücklich beschrieben. Die Menschen im Lager vor Ort seien so freundlich gewesen, und hätten sie erst einmal wieder aufgepäppelt. Sonst hätte Sie die Weiterfahrt auch wohl kaum überstanden. Nach einem kurzen Aufenthalt dort ging die Reise dann nämlich weiter nach Russland.
    Ich weiss nicht mehr wo genau es gewesen ist, und ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher ob meine Oma es wusste. Irgendwo in Russland jedenfalls gab es ein Bergwerk, in dem die 16 jährige Maria ab sofort unter Tage fuhr. Die Aufseherinnen dort hatten immer ein wenig Mitleid mit dem netten, kleinen Mädchen und steckten ihr gerne etwas extra Rationen zu. Und eben diese Aufseherinnen waren es auch, welche ihr nach einigen Jahren (ich weiss nicht mehr wie viele) ermöglichten, in einen Zug in Richtung Deutschland zu steigen.
    Eine der Geschichten aus dem Bergwerk habe ich heute noch fast bildlich vor Augen: um Zeit und Kraft zu sparen sind viele der Arbeiter auf das Förderband geklettert um sich nach oben fahren zu lassen. Ein junger Deutscher ist nicht rechtzeitig abgestiegen und wurde in der Umlenkrolle am Ende des Bandes zerquetscht. Sogar der Kommandant des Gefangenenlagers hat sich bei dem Anblick der Leiche erbrochen.

    Einmal an Bord des Zuges nach Deutschland wurde die Lage aber erst einmal schlimmer als besser. Es waren wieder Viehwaggons. Es gab kaum Wasser und Nahrung, und die Temperaturen im Waggon wurden mörderisch. Es gab wieder Tote. Wieder wurden diese aus den Waggons geworfen.
    Und bei einem Stop und umkoppeln der Waggons passierte es dann: Der Waggon meiner Oma wurde vergessen. Er stand über einen Tag lang alleine, ohne Wasser und Nahrung auf einem Abstellgleis. Der Zugführer hat dies wohl irgendwann gemerkt und ist zurückgefahren um den Waggon zu holen, sonst wären sie wohl alle gestorben.

    Irgendwann kam an dann im besetzten Ostdeutschland an. Der Rest ist relativ schnell erzählt, eine Bauernfamilie nahm das junge Mädchen (ich weiss nicht wie alt sie da war) auf, die Flüchtlinge waren günstige Arbeitskräfte. Auf einem anderen Hof lernte sie meinen Großvater kennen. Mein Vater wurde geboren.
    Über das Rote Kreuz fand meine Oma den Rest ihrer Familie wieder, sie waren aus Werschetz nach Solingen geflohen. Man besuchte sich. Dann wurde die Mauer gebaut.
    Meine Oma ist mit dem Rest der Familie (mittlerweile eine Tochter und ein weiterer Sohn) auf Besuch in Solingen gewesen. Mein Großvater und mein Vater (damals 11) haben sich in Arbeitskleidung und geschwärzten Gesichtern mit den Schichtarbeitern und Pendlern in der S-Bahn von Ost nach Westberlin geschlichen. Man hat alles zurückgelassen.

    Erst nach dieser Geschichte wurde mir klar, wie oft ich Aussagen meiner Oma oder ihrer Schwester falsch interpretiert habe, und mich wohl auch sehr verletzend geäußert habe.
    Wann immer ich hörte “Die Jugos haben unsere Männer erschossen!” habe ich beispielsweise geantwortet: “Dann wärt ihr besser mal nicht einmarschiert, eingeladen hatte die Wehrmacht schließlich keiner!”
    Unwissend, dass “unsere Männer” ansässige Bauern waren, deren einziges Verbrechen darin bestand, deutsche Vorfahren zu haben. Wie ich später erfuhr, musste der Vater meiner Oma sich im serbischen Hinterland mit Dutzenden anderen sein eigenes Grab schaufeln…

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